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Die Chronik der Kinder von Golzow berichtet von Menschen der Jahrgänge 1953 -1955, die in der DDR geboren wurden, hier aufwuchsen und, nun längst jenseits der Mitte ihres Lebens, Bürger der Bundesrepublik Deutschland sind. Im Jahre 1961 - wenige Tage nach dem Bau der Berliner Mauer - gemeinsam in Golzow (Oderbruch) eingeschult und erstmals gefilmt, führte sie das Leben nach acht, zehn oder zwölf Jahren auf verschiedenen Wegen auseinander.
Ihre Geschichten und die mit ihnen verbundenen Blicke auf Lebenswirklichkeiten veranschaulichen ein Stück Geschichte der DDR und des DEFA-Dokumentarfilms. Die eine wie die andere ist beendet. Die bis 2007 weitergeführte Chronik dokumentierte seit 1990 Leben in Zeiten nach der deutschen Wiedervereinigung.
Als Langzeitbeobachtung ist sie eine Innovation, die 1995 - laut einer internationalen Umfrage der Stiftung Deutsche Kinemathek - mit "Lebensläufe" (1980) einen der hundert wichtigsten Filme in hundert Jahren deutschen Kinos hervorbrachte.
Bereits 1985 ging "Lebensläufe" in London in "GUINNESS Film, Fact & Feats" als Film mit der längsten Produktionsdauer der Filmgeschichte ein. Seit "Lebensläufe" war die Golzower Chronik zur Berlinale 2008 zum elften und letzten Male im internationalen forum des jungen films vertreten. Mit zehn Filmen allein seit 1993, davon acht Einzelporträts.
Altbundespräsident Dr. Richard von Weizsäcker nannte das Projekt in einem Brief an uns ein "einzigartiges Dokument" und "ganz außerordentliches Unterfangen, das jede Anstrengung verdient, zu Ende geführt zu werden".
Prof. Dr. Christoph Stölzl seinerzeit Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums Berlin, schrieb uns: "Am Ende des Jahrhunderts werden aus Literatur und Künsten (...) am ehesten die großen, mit langem Atem durchgehaltenen Werke übrigbleiben, die sich die Zeit zum Gegenstand genommen haben (...) und so wird es auch Ihren Golzow-Filmen gehen."
Steffen Reiche, der ehemalige Brandenburger Kultusminister, stellte anlässlich der BERLINALE-Premiere von "Brigitte und Marcel - Golzower Lebenswege" fest: "Ich denke, daß gerade ihre Form der Langzeitbeobachtung mit Mitteln der Dokumentation zu den herausragenden Leistungen des hiesigen Filmschaffens gehört. Für die Menschen in Brandenburg wird auch dieser Film (wieder) ein Stück eigener Identität widerspiegeln; für andere wird er das Verständnis für die in der DDR aufgewachsenen und sozialisierten jungen und älteren Menschen befördern. Der Film wird somit sicher als Mittler zwischen Ost und West fungieren können; als Botschafter auch einer jungen Filmkunst, die es vermag, sich mit den ihr eigenen Mitteln den Alltäglichkeiten und Besonderheiten einzelner Lebensläufe zu widmen."
Und Matthias Platzeck, Brandenburgs Ministerpräsident, gratulierte zum 70. Geburtstag von Winfried Junge mit den Worten: "Mit Sensibilität und Ehrlichkeit haben Sie die Menschen, deren Lebenswege Sie abbilden wollten, für sich und Ihre Projekte eingenommen (...) Mit Ihrer Arbeit, die seit Jahrzehnten geradezu kongenial ergänzt wird von Ihrer Ehefrau und Partnerin im Beruf, sind Sie einer der wichtigsten Vertreter der Dokumentarfilmszene im Osten Deutschlands... Sie haben viel getan, für den Film in Deutschland insgesamt. (...) Bis heute setzen Sie Ihr Projekt in Golzow fort (...) Sie geben damit den Menschen aus dem Oderbruch ein Gesicht und zeigen gleichzeitig Allgemeingültiges."
Platzeck zeichnete Barbara und Winfried Junge 2008 mit dem "Roter-Adler-Orden" für Verdienste um das Land Brandenburg aus.
Das mit Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland noch immer unvollendete Golzow-Projekt hatte Anteil daran, die Notwendigkeit einer DEFA-Stiftung zu begründen.
Als sie am 5. 2. 1999 der Presse verkündet wurde, nannte der erste Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Dr. Michael Naumann unter drei Beispielen aus dem Bereich des Dokumentarfilms auch "die Golzow-Langzeitdokumentation von Barbara und Winfried Junge, von der wir hoffen, dass sie fortgesetzt werden kann."
2007 ehrte die DEFA-Stiftung das Regie-Ehepaar und den langjährigen Kameramann Hans-Eberhard Leupold mit dem Preis für Verdienste um den deutschen Film.
Und 2009 würdigte der Verband der deutschen Kritiker das Lebenswerk der Junges mit einem Ehrenpreis.
Übrigens: Am 28. August 2011 jährte sich der Beginn der Chronik der “Kinder von Golzow” zum 50. Male. Der Verein “Golzower für Golzow” erinnerte daran am 2. September mit einer langen Filmnacht in der Oderbruchhalle und am 3. September mit einer Festveranstaltung rund um die Schule, die jetzt den Namen “Schule der Kinder von Golzow” trägt, und ihr Filmmuseum.
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